Farinellis Erbe verzaubert das Publikum – Marienvesper in der Willebadessender Klosterkirche mit frenetischem Applaus gefeiert
Von Burkhard Battran
Willebadessen. Sensationslust ist kein Stilelement, auf das es beim Klosterfestival ankäme. Im Gegenteil. Das Konzept ist vielmehr, dass die Künstler hinter das Werk zurücktreten, um den Besuchern Gelegenheit zur Kontemplation und spirituellen Auseinandersetzung mit den historischen, klösterlichen Aufführungsorten zu geben.
Ein wunderbares Werk, um sich Eins mit Kosmos und Natur zu fühlen ist die Marienvesper des sizilianischen Komponisten Alessandro Grandi (1575 – 1630). Halt, stopp, wird mancher einwnden, die Marienvesper ist doch von Monteverdi.
Der in Vergessenheit geratene Grandi war ein durchaus populärer Zeitgenosse von Claudio Monteverdi. Beide kannten und verstanden sich gut, auch wenn Grandi im Schatten von Monteverdi stand. Monteverdis Marienvesper blieb erhalten. Grandis Komposition wäre wohl verloren gegangen, wenn nicht der Kölner Musikwissenschaftler Prof. Dr. Rudolf Ewerhart das Werk in den 1980er Jahren wiederentdeckt hätte.
Mit dieser Marienvesper stand der 20-köpfige Santini-Kammerchor begleitet von einem Barocksextett am Samstag auf der Altarempore der Willebadessener Klosterkirche. Und das war nicht irgendein Chor, sondern gewissermaßen der Entdecker-Chor der Marienvesper, denn Prof. Ewerhart ist selbst Gründer dieses Chores der sich insbesondere der Alten Musik widmet. Inzwischen singt dort eine ganz neue Generation und auch Prof. Ewerhard hat sich aus Altersgründen aus der Chorleitung zurückgezogen. Seit zwei Jahren hat der Brakeler Kirchenmusiker und stellvertretender Brede-Schulleiter Matthias Koch die traditionelle Santini-Projektwoche übernommen und zeichnete auch für die Aufführung in Willebadessen verantwortlich. „Das schöne ist ja, dass der Chor zu mir in den Kreis Höxter kommt. Wir haben eine Woche hier im Velcrea-Zentrum intensiv gearbeitet und die historische Umgebung des Willebadessener Schlosses hat die Proben positiv inspiriert.“, sagte Koch. An diesem Ort dieses Werk erleben zu können, ist durchaus eine kulturelle Sensation für den ländlichen Raum fernab der großen Kulturmetropolen. Und doch stand da alles im Schatten einer großen Entdeckung.
Philipp Mathmann (24) steht eine steile Karriere bevor. Heute noch ein Geheimtipp, ist das Münsteraner Stimmphänomen im nächsten Jahr vielleicht schon ein unbezahlbarer Star. Philipp Mathmann ist ein männlicher Sopran. Er trifft mit Leichtigkeit das zweigestrichene A, und das mit einem vollen Ton, ganz wie die weibliche Sopranstimme nur eben mit einem Männer-Timbre, was die Stimme so außergewöhnlich macht. Sein Tonumfang als solcher erscheint schon als besonderes Phänomen. Viel entscheidender als dieser sind aber wohl Qualität und Ausdruck und Ausdruck und da darf sich Philipp Mathmann bereits heute schon al ein legitimer Erbe Frinellis begreifen.
In Willebadessen meisterte Mathmann das ausgesprochen hohe Halleluja im „Virgo Prudentissima“ mit einer spielerischen Leichtigkeit und überwältigender Natürlichkeit. „Hoch zu singen ist für micht keine Arbeit, ich habe immer schon sehr hoch gesungen und habe gedacht, dass könnte jeder“, erzählt Mathmann im NW-Interview.
Philipp Mathmann ist hauptberuflich Medizinstudent. Zum Gesang kam er eher zufällig. „Mit 18 bin ich in einen Chor eingetreten und habe erst mal ein paar Jahre ganz laienhaft Bariton gesungen“, sagt der Sopranist. Mathmanns Besondere Begabung konnte nicht ewig unentdeckt bleiben. Doch erst seit 3 Jahren wird der Sänger professionell als Sopran ausgebildet. „Ich bin noch längst nicht fertig. Aber ich habe in Berlin, Köln und Münster sehr gute Lehrer und habe das Gefühl, auf einem guten Weg zu sein.“ Obwohl Mathmann bereits jetzt mehr Konzertanfragen bekommt als er annehmen kann möchte er die musikalische Arbeit mit dem Santini-Kammerchor fortsetzen. „Die Arbeit mit dem Projektleiter Matthias Koch hat mir große Freude bereitet und der Austausch mit den anderen Solisten, Herrn Koch und den Instrumentalisten erweitern meinen Horizont stark“, erklärt Mathmann.
Wie stets bei den Klosterfestival-Konzerten war auch in der Willebadessener Sensations-Aufführung ein eher kleiner Besucherrahmen von etwa 100 Zuhörern dabei. Doch diese wussten die außergewöhnliche Darbietung sehr wohl zu würdigen. Mit Minutenlangem Applaus, lauten Fuß-Stampfen und Bravo-Rufen wurde die Marienvesper trotz des sakralen Kontextes frenetisch bejubelt.